1. Das agile Manifest: Werte über Pläne

Agile Methoden sind die Antwort des modernen Software Engineerings auf Komplexität und ständige Veränderung. Im Gegensatz zu klassischen, planungsorientierten Vorgehensmodellen (wie dem Wasserfallmodell), die einen starren Plan verfolgen, setzen agile Ansätze auf Anpassungsfähigkeit.

Ihre Grundlage bilden die vier zentralen Werte des Agilen Manifests:

• Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge.

• Funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentation.

• Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlungen.

• Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans.

Das agile Vorgehen zeichnet sich durch selbstorganisierende Teams und eine iterative und inkrementelle Entwicklung aus.

2. Die populärsten agilen Methoden

Agilität ist eine Denkweise und Haltung; die Methoden sind die konkreten Werkzeuge, um diese Haltung in die Praxis umzusetzen. Die zwei bekanntesten Methoden sind Scrum und Kanban:

a) Scrum

Scrum ist das am weitesten verbreitete agile Framework und eignet sich besonders gut für die Entwicklung von Produkten in Teams von bis zu zehn Personen.

• Iterative Zyklen (Sprints): Die Arbeit wird in kurze, feste Zeitabschnitte, sogenannte Sprints (typischerweise 1 bis 4 Wochen), unterteilt. Nach jedem Sprint liegt ein potenziell lieferbares Produkt-Inkrement vor.

• Rollen: Scrum definiert klare Verantwortlichkeiten:

  • Product Owner (PO): Priorisiert die Anforderungen und maximiert den Produktwert.

  • Scrum Master (SM): Coacht das Team, stellt sicher, dass die Scrum-Regeln eingehalten werden, und beseitigt Hindernisse (Impediments).

  • Entwicklungsteam: Setzt die Anforderungen selbstorganisiert um.

• Meetings: Wichtige Meetings sind das Daily Scrum (tägliches Kurzmeeting zur Synchronisation), das Sprint Planning und die Retrospektive (zur kontinuierlichen Prozessverbesserung).

b) Kanban

Kanban stammt ursprünglich aus der japanischen Lean Production und legt den Fokus auf den kontinuierlichen Arbeitsfluss.

• Visualisierung: Die Arbeit wird auf einem Kanban-Board visualisiert, das Aufgaben in verschiedene Spalten wie "To Do", "In Arbeit" und "Erledigt" unterteilt.

• Fokus: Engpässe (Bottlenecks) im Prozess werden schnell identifiziert, indem die Menge der Arbeit, die sich in einem bestimmten Status befindet, begrenzt wird (Work in Progress / WIP-Limits).

• Keine festen Iterationen: Im Gegensatz zu Scrum verwendet Kanban keine festen Zyklen (Sprints).

3. Vorteile für das Software Engineering

Der Einsatz agiler Methoden führt zu messbaren Verbesserungen im Entwicklungsprozess:

• Flexibilität: Änderungen und neue Anforderungen können jederzeit berücksichtigt werden (Reagieren auf Veränderung).

• Geschwindigkeit: Kurze Feedbackschleifen und die Konzentration auf das Minimal Viable Product (MVP) ermöglichen eine schnellere Wertschöpfung.

• Transparenz: Visuelle Boards und tägliche Meetings sorgen für einen klaren und transparenten Arbeitsfortschritt.

• Kundenfokus: Der Kunde wird eng in den Entwicklungsprozess eingebunden, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, "das richtige Produkt" zu bauen.